August – Monat der Fülle
Diesen Monat war ich ganz schön viel unterwegs: von Steyerberg nach Würzburg, zurück nach Waldberg, auf nach Everode und über Würzburg wieder zurück nach Waldberg. Grund für meine Reisefreudigkeit war unter anderem meine Teilnahme am 72h Permakultur-Design-Kurs, der – anders als sein Name vielleicht vermuten lässt - nicht 72 Stunden, sondern 2 Wochen andauerte.
Mein erster Versuch diesen Monat zusammen- (und dann auch noch in Worte!) -zufassen ist kläglich gescheitert. Da ist so viel: die Menschen, die ich kennenlernen durfte, die Lerninhalte, die Praxiserfahrung, die unglaubliche Vielschichtigkeit des Konzepts Permakultur, das ich jetzt so langsam zu begreifen beginne… Wo fängt man da an?
Vielleicht am besten am Anfang und bei der Frage, woher die Permakultur überhaupt kommt. Der Ursprung der Permakultur findet sich weit weg, am anderen Ende der Erde: Grob gesagt schaute sich Bill Mollison die Art der Landbewirtschaftung von den tasmanischen Aborigines ab und beobachtete ihre Liebe und Wertschätzung von Mutter Erde, ihr „Eins-Sein“ mit der Natur. Daraufhin gründete er mit seinem Student David Holmgreen das Permaculture Institute und führte damit auch den Namen Permakultur ein; Eine Kultur der Permanenz, die auf drei universellen Prinzipien fußt:
Sorge für die Erde (konkret: Boden schützen und pflegen)
Sorge für die Menschen (darunter fällt auch der achtsame Umgang mit dem eigenen Körper!)
Gerechte Verteilung von Ressourcen (Nahrungsmittel, aber auch Wissen)
Interessanterweise sind die 1992 auf der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro beschlossenen Leitlinien zur nachhaltigen Entwicklung (auch bekannt unter dem Namen Agenda 21) inhaltlich deckungsgleich mit den Prinzipien der Permakultur. Leider scheinen die Abmachungen von 1992 in vielen Bereichen unseres gesellschaftlichen Handelns in Vergessenheit geraten zu sein…
Anschließend verfasste David Holmgren 12 Gestaltungsprinzipien, die eine Art Handlungsanweisung und Leitfaden bilden und in jedem Permakulturdesign zu finden sein sollten.
1) Beobachte und interagiere
Vor jedem Design steht die gelenkte oder ungelenkte und wertfreie (!) Beobachtung. Es ist wichtig, zunächst zu klären: auf welcher Basis arbeite ich hier? Welche Ressourcen sind vorhanden? Welche Einflüsse gibt es? Das ist bei gartenbaulichen Designs ebenso wichtig wie bei sozialen Designs (jep, Permakultur lässt sich auch hervorragend auf die Gestaltung von Gemeinschaften übertragen ). Auf Grundlage der zusammengetragenen Informationen wird eine sogenannte erstellt, eine Karte, auf der der Ist-Stand des Projekts möglichst genau eingetragen wird. Die Beobachtung erfolgt übrigens optimalerweise über ein ganzes Jahr hinweg. Nur so kann das Verhalten des Grundstücks (oder der Gruppe) im Laufe der Jahreszeiten analysiert werden.
2) Sammle und bewahre Energie
Konkrete Beispiele hierfür sind zum Beispiel das Sammeln von Regenwasser. Oder Sonnenenergie (ob mithilfe von Solarpanels oder dem Anlegen einer Sonnenfalle). Das Bewahren der eigenen Energie im Sinne von: nicht arbeiten, bis zum Burn-Out, sondern achtsam mit den eigenen physischen und/oder psychischen Kräften umgehen.
3) Erzeuge Überschuss/Gewinn oder „Fahre eine Ernte ein“
Permakultur ist keine brotlose Kunst. Ganz klar: von irgendwas muss man leben. Aber eine Ernte ist nicht „nur“ Nahrung oder Geld, eine Ernte kann auch das Aneignen von neuem Wissen sein oder die Zuneigung und Unterstützung, die man von seinen Lieben erhält.
4) Installiere Selbstregulation und umarme Feedback
Auf die gärtnerische Praxis bezogen kann Selbstregulation beispielsweise das vorteilhafte Kombinieren von unterschiedlichen Pflanzen sein (Pflanzengilden). Ein Beispiel dafür wäre das Prinzip der : Mais, Kürbis und Erbsen (beispielsweise) werden gemeinsam in ein Beet gepflanzt. Der Mais wächst am schnellsten in die Höhe und bietet damit der Erbse eine willkommene Rankhilfe, während der Kürbis durch seine großen Blätter den Boden beschattet und so vor zu schneller Verdunstung schützt. Jede dieser Pflanzen wurzelt in unterschiedlichen Tiefen, so kommen sie sich nicht in die Quere.
Feedback kann im Garten eingeschränktes Wachstum sein. Auf den eigenen Körper kann Feedback beispielweise eine Krankheit oder Erschöpfungszustände sein. Beides sollte beachtet und konstruktiv hinterfragt werden: was braucht mein Boden/mein Körper denn eigentlich gerade? Was könnten Gründe für die Situation sein?
5) Produziere keinen Abfall
Kreisläufe müssen wieder geschlossen oder zumindest der Fokus auf wiederverwendbare Materialen gesetzt werden – das ist uns allen klar. Aber auch dieses Prinzip lässt sich hervorragend auf die soziale Ebene heben: produziere keinen zwischenmenschlichen Abfall.
6) Designe von Mustern zu Details
In der Natur, aber auch in unserer Gesellschaft lassen sich Muster finden, die sich immer wieder wiederholen. Das Wort meint dabei aber nicht zwangsläufig eine geometrische Figur, die sich wiederholt, sondern die Wiederholung bestimmter Zusammenhänge an sich. So kann ein Muster die Spirale sein, genauso wie ein Muster ist: wie oft finden sich Bänke unter Bäumen an zentralen Orten? Diese wiederkehrenden Formen oder Zusammenstellungen haben immer eine Funktion, die im eigenen Design genutzt werden kann.
7) Nutze und schätze natürliche Ressourcen und Dienstleistungen
Darunter fallen die weiter oben angesprochenen Pflanzengilden. Genauso kann hier auch die tierische Mithilfe gemeint sein, beispielsweise das Einsetzen eines sogenannten (auf Google leicht zu finden ), oder die Sonnen- und Wasserenergie.
8) Lieber integrieren statt ausschließen
Wühlmäuse und Schnecken sind im Garten nicht so schrecklich gern gesehen. Also was tun? Natürlich gibt es eine Vielzahl rabiater Methoden (Schneckenkorn, Glassplitter im Boden…), aber warum nicht das biologische Gleichgewicht wiederherstellen? Uns fehlen die Schlangen, Echsen und Greifvögel, die natürlichen Feinde der kriechenden und wühlenden Tierchen. Also lieber Echsenburgen, Totholzhecken und Greifvogelstangen installieren und mehr Leben in den Garten einladen.
Übrigens: viele Schnecken ernähren sich nur von Jungpflanzen, wenn sie nicht genug Laub o.Ä. finden. Vielleicht ist der Garten einfach zu sauber? 😉 Zusätzlich sind sie ein guter Indikator für schwache Pflanzen. Schnecken sind nämlich ausgezeichnete „Spürhunde“: gestresste Pflanzen (ob durch Trockenheit, Befall oder unpassenden Boden) verströmen Pheromone, die die Schnecken riechen können. Das auf uns so hundsgemeine Abgrasen der Jungpflanze ist einfach nur ihr Job: sie räumt auf, damit andere, stärkere Pflanzen mehr Platz haben. Also auch hier Feedback umarmen!
9) Nutze kleine und langsame Lösungen
Dieses Prinzip resultiert vor allem aus dem ersten Prinzip . Jede Veränderung sollte in ihrer Auswirkung beobachtet werden. Hau-Ruck-Lösungen haben sich in der Permakultur nicht als zielführend erwiesen.
10) Nutze und wertschätze Vielfältigkeit
Unser Biosystem ist vielschichtig und vielseitig, und alles in diesem fragilen System hat seine Aufgabe und seine Berechtigung. Eine Monokultur ist auf Spritzmittel angewiesen, weil sich Schädlinge ungebremst vermehren können: ist ja weit und breit nur die eine „Lieblingspflanze“ zu sehen – was für ein Fest! Wird stattdessen vielfältig bepanzt hat es eine einzelne Schädlingsart lange nicht so leicht. Auch hier lässt sich wieder das Prinzip der Pflanzengilden anwenden (z.B. Tomate und Basilikum: durch seinen intensiven Duft hält der Basilikum Schädlinge von der Tomate fern), oder auch das Prinzip des Integrierens von natürlichen Fressfeinden durch das Schaffen von Lebensräumen (siehe Prinzip Nr. 4). Und überhaupt: wie langweilig ist bitte Monokultur? 😉
11) Nutze Ecken und schätze Randzonen
In der Natur gibt es keine festen Grenzen, sondern nur Randzonen. Diese durchlässigen Grenzen von zwei verschiedenen Landschaftsarten bietet oft ungeahnte Vielfalt. Man denke an den Übergang von Wiese zu Wald oder Land zu Wasser. Auch an Feldrändern lässt sich oft besonders groß gewachsenes Beikraut entdecken: vielleicht durch die Ausschwemmung von Nährstoffen, die sich in den Rillen und Mulden der Feldabgrenzung gesammelt haben?
Und abschließend…
12) Reagiere kreativ auf Veränderungen
Permakulturell zu arbeiten bedeutet, flexibel mit Dingen umzugehen, die anders geplant waren. Die Veränderung des Klimas hin zu längeren, heißeren Trockenperioden und heftigen Regenfällen bedarf solcher Anpassungen. Zum Beispiel das Anlegen von Wasserretentionsflächen. Oder das Anwenden von Keyline-Designs, durch die Wasser aufgefangen und so ganze Landschaften abgekühlt werden können.
Oder das Anpflanzen von Bäumen, die besser mit wärmeren Bedingungen umgehen können und das Anlegen von Baumscheiben darunter. Oder, oder, oder…
Permakultur ist so viel mehr als „nur“ Gärtnern. Es ist vielmehr eine Grundhaltung und das Eingeständnis, lebenslang Lernender und auch als Mensch ein Teil der Natur zu sein und zu bleiben.